Voller Enthusiasmus habe ich mich am nächsten Morgen auf den Weg zum Antelope Island State Park gemacht. In einer halben Stunde würde ich dort sein, dachte ich… Aber ich hatte die Rechnung ohne den verrückten Verkehr gemacht. Die Strecke von Salt Lake City Richtung Norden muss die verkehrsreichste in ganz Utah zu sein. Scheinbar muss jeder irgendwie genau hier durch, und heute eben auch ich… Viel Verkehr oder auch Stau wäre ja ok gewesen. Ich hab Urlaub und ich hab’s also nicht eilig. Aber die Leute hier fahren wie die Wahnsinnigen! Sie halten keinerlei Verkehrsregeln ein und schon gar keine Geschwindigkeitsbegrenzungen. Wow! Spinnen die denn alle? Ganze vier verunfallte Autos habe ich am Strassenrand beobachtet und das innerhalb von 15 Minuten. Hä? Eigentlich wollte ich diese Strecke morgen nochmal befahren auf meinem Weg nach Twin Falls in Idaho. Aber ich hab mich kurzerhand umentschieden und würde wohl die um mehr als eine Stunde längere Route an den Bonneville Salt Flats vorbei über Wendover und Wells in Nevada nehmen.
So, nun war ich aber immer noch auf dieser Horror-Strecke unterwegs. Ich war bereits schweissgebadet und mit den Nerven fertig als endlich diverse Polizeiwagen auftauchten und die ganze ausser Rand und Band geratene den Highway bevölkernde Meute sofort wieder brav und gesittet in Reih und Glied dem Highway entlang zuckelte. Erst kurz vor dem Causeway, der auf die Insel führt, löste sich der Verkehr allmählich auf und ich konnte endlich langsam zur Ruhe kommen und beginnen, meinen Ausflug zu geniessen.
Schon die Fahrt über den Causeway, der die Insel mit dem Festland verbindet, ist wunderschön. Links und rechts breitet sich der Great Salt Lake aus. Weit und offen liegt die herrliche Landschaft vor mir. Und ich kann es kaum erwarten, meinen Jeep irgendwo zu parken und dieses Paradies endlich zu Fuss zu erkunden.



Ich fuhr also gleich am Besucherzentrum vorbei zum ersten „Lookout“ und sprang voller Vorfreude aus dem Wagen, als mich gleich eine Wolke irgendwelcher winziger Insekten umfing. Die Luft um mich wahr so dicht mit diesen Viechern bepackt, dass ich kaum atmen konnte. Dennoch konnte ich die Wolke nicht sehen, nur fühlen. Ich hatte zwar gelesen, dass Brine Flies jetzt unterwegs seien, und auch Mosquitos, aber ich hatte mich schön brav mit Mosquito-Spray bearbeitet, und somit konnte mir ja nichts weiter passieren. Zum Glück hatte ich noch ein Ersatz-T-Shirt dabei, das ich mir jetzt vor Nase und Mund hielt um ungehindert atmen zu können. Diese kaum sichtbaren Viecher setzten sich in meinen Haaren fest, krochen in meine Ohren, in die Nase, und auch die Augen waren nicht sicher vor diesen Biestern. Himmel, was sollte ich jetzt bloss machen? Zurück ins Auto und diese Insel schnellst möglich wieder verlassen? Aber bestimmt nicht. Die Viecher schienen ja nicht zu stechen. Also Augen zu und durch…



Nun, ganz hab ich die Augen nicht zu gemacht. Musste ich doch wenigstens ein paar Fotos von dieser herrlichen Landschaft schiessen. Ich hab meine Spaziergänge hier dank diesen Biestern nicht ganz so sehr genossen wie sonst, aber diese fantastische und noch dazu fast menschenleere Umgebung machte alles wieder wett. Ich konnte die Plagegeister tatsächlich fast vergessen. Erst am nächsten Tag sollte ich feststellen, dass ich mich noch lange an diese fiesen Gesellen erinnern würde…










Keine Ahnung, was das für ein Vögelchen ist, das da lautstark und mit voller Hingabe sein Liedchen trällerte. Grinsend hab ich auf den Auslöser gedrückt, und da guckt das Kerlchen direkt zu mir rüber. Fast ein bisschen verlegen blickt er drein, oder?

Das sollte mir noch oft passieren auf dieser Reise. Fast jedes der Tiere, welches ich vor die Linse bekam, hat mich plötzlich direkt angeschaut, aber nicht etwa ängstlich, sondern eher neugierig. Der Spatz hier war gleich der nächste…










Als ich wieder zu meinem Jeep zurückkam, war ich über und über mit klitzekleinen schwarzen Insekten bedeckt. Ich habe abgeschüttelt was ging und bin dann schnell ins Auto gehüpft und los gefahren. Nichts wie weg hier. Da fängt doch die „Klimaanlage“ meines Wagens plötzlich zu heizen an. Was ist denn jetzt los? Alles Rumschrauben und Knöpfe drücken half nichts. Da wollte keine kühle Luft mehr raus aus der Belüftungsanlage. Also hab ich halt alle Fenster aufgemacht, um mir wenigstens durch den Fahrtwind etwas Kühlung zu verschaffen. Und da hatte ich dann schon wieder die Schnauze gestrichen voll… mit den ekligen unsichtbaren Mücken…
Mein nächster Stopp lag etwas höher und der Wind schien die lästigen Viecher weggeblasen zu haben, denn hier oben hatte ich Ruhe vor den Dingern.





Ach, wie gerne wäre ich noch etwas länger hier oben geblieben. Aber ich wollte ja noch zur historischen Fielding Garr Ranch auf der anderen Seite der Insel. Also machte ich mich auf die malerische Fahrt ins vergangene Jahrhundert.


Das da oben sind übrigens die einzigen Pronghorn-Antilopen, die ich auf der Insel entdeckt habe, obwohl die hübschen Tiere ja als Namensgeber herhalten.


Ca. eine halbe Stunde später bin ich auf der Fielding Garr Ranch angekommen. Eigentlich ist dies heute ein Museum, aber nicht so eins von der üblichen Sorte. Hier wurde einfach alles kreuz und quer über die gesamte Anlage verstreut liegen und stehen gelassen. Und es macht riesig Spass hier herum zu spazieren und all die alten Geräte und Maschinen zu bestaunen und ihnen in Gedanken Leben einzuhauchen.
































Und immer hat man hier diesen herrlichen Blick auf die wunderschöne Landschaft. Ja, so hätte ich auch gerne gelebt… Dieser Anblick versüsst einem doch auch die härteste Arbeit!!!
Um die Landschaft aber wirklich geniessen zu können, musste ich natürlich noch ein bisschen spazieren gehen. Also bin ich einfach dem vorhandenen Weg entlang marschiert und hab dann doch tatsächlich die ca. 500 hier lebenden Buffalos entdeckt. Zwar konnte ich nur von Weitem einen Blick auf sie werfen. Aber das war mir ganz recht so. Immerhin war ich hier zu Fuss unterwegs und würde mich nicht schnell in mein sicheres Auto retten können, wenn die Riesenviecher plötzlich aggressiven Anwandlungen folgend auf mich zu gewalzt kämen.













So aber waren sie schön weit entfernt, so dass ich beherzt ein paar Kilometer diesem schönen Weg entlang wandern konnte. Und dann kam ich den Bisons doch noch ziemlich nahe. Überall hingen Fetzen ihres abgeschubberten Winterfells herum. Die musste ich natürlich anfassen und befühlen. Ha! Ich hab einen Bison angefasst. Und ein ziemlich grosses Stück Wolle hab ich sogar mitgehen lassen 🙂















Als ich mich am Abend auf den Rückweg zu meinem Apartment in Salt Lake City gemacht habe, funktionierte plötzlich die Klimaanlage meines Wagens wieder. Ach was war ich froh, endlich wieder mit geschlossenen Fenstern durch die Insektenwolken fahren zu können.
Aber es war eigentlich schon viel zu spät, um mich darüber freuen zu können. Der Schaden war bereits angerichtet und würde mich die nächsten 2 Wochen hartnäckig und unerbittlich verfolgen.
Das waren nämlich weder Brine Flies noch Mosquitos, die mich da belästigt hatten, sondern No-See-Ums, wie die Biester hier umgangssprachlich genannt werden. Und beissen oder stechen tun sie sehr wohl, wie ich am nächsten Tag dann feststellen durfte. Ich war über und über mit kreisrunden zornig roten Flecken übersät. Ich hab keinen der Stiche bemerkt. Die Viecher sieht man nicht und man fühlt sie nicht, so winzig sind sie. Aber am nächsten Tag fangen die Flecken an qualvoll zu jucken und das für die nächsten 14 Tage… na toll… Jetzt wird übrigens in Rot auf der Webseite des Parks auf diese Biester hingewiesen. Tjänu… was soll’s…
Morgen fahre ich weiter meiner Seelenheimat entgegen. Dort gibt’s so böse Viecher nicht…

