
Nachdem der erneut angekündigte Schneesturm dann doch eher harmlos ausfiel und nicht mehr viel Chaos anrichten wollte, machte ich mich nach einer letzten Runde um den River Rock Pond auf den Weg in Richtung Small Town USA, wo ich vorhatte, mit meinen vorherigen Gastgebern Silvester zu feiern.
Auf dem Weg nach Big Timber kam ich auch wieder an der Ausfahrt zu meinem Container-Paradies vorbei. Wunderschön und fast ein wenig verwunschen lag die Landschaft vor mir. Auch schneebedeckt und eher noch eintöniger als bei meinem letzten Besuch hatte die Szenerie dieselbe tiefgreifende Wirkung auf mich. Sofort fühlte ich mich wieder eins mit meiner Umgebung. Hier hatte ich einen Teil meiner Seele zurückgelassen, und hier wartete dieser Teil auf mich. Wäre ich nicht hinter Bette Lyn her gefahren, die mich über die verschneiten und vereisten Strassen nach Big Timber lotste, hätte ich mich mit Sicherheit dazu verführen lassen, einfach vom Freeway runter in Richtung Paradies zu fahren, nur um noch ein einziges Mal dem Gefühl nachhängen zu können, welches mich damals immer wieder erfüllte, sobald ich meinen „Heimweg“ einschlagen durfte.
Ich riss mich aber zusammen und folgte tapfer meiner Lotsin. Und ganz verwundert stellte ich fest, dass dieses Gefühl nach Hause zu fahren mich nicht verliess. Ganz im Gegenteil, es hielt weiter an und wurde sogar stärker… Meine Seele schien sich während meiner Abwesenheit hier wohl weiter ausgebreitet und häuslich niedergelassen zu haben. Und ich war neugierig darauf zu entdecken, was meine Seele schon längst zu kennen schien…
Endlich in Big Timber angekommen, sog ich ganz verzaubert den doch eigentlich so verpönten Kleinst-Stadt-Mief in mich auf. Oh wie herrlich… Big Timber ist so winzig und verschlafen, aber hübsch und niedlich und so absolut friedlich… wow, hier würde ich mich wohlfühlen! Jeder grüsst hier jeden! Die meisten, die Deinen Weg kreuzen, haben auch immer Zeit und Lust stehen zu bleiben und ein kleines Schwätzchen zu halten. Überall erkennt man Dich wieder, sobald Du das zweite Mal dort auftauchst. Die Menschen sind ausnahmslos freundlich und sehr herzlich. Und man kann sich hier zu jeder Tageszeit auch alleine als Frau komplett sicher fühlen. Irgendwie scheinen die Sorgen der grossen weiten Welt an diesem süssen kleinen Ort einfach vorbei zu ziehen.
Seltsamerweise zog es mich hier nicht sofort wieder weg, wie sonst üblich ,sobald ich in die Nähe einer noch so kleinen Ansammlung menschlicher Behausungen komme. Nein, hier schien etwas an mir zu ziehen und zu zerren, mich dazu verleiten zu wollen, tiefer einzutauchen, mehr zu entdecken, hinter die Fassade zu blicken… Und genau das würde ich tun…
Als ich das erste Mal durch dieses winzige Städtchen fuhr, fühlte ich mich, als hätte ich mich in eine Filmkulisse verirrt. Bloss das hier momentan wohl niemand am drehen war, denn alles war still und leise, nichts bewegte sich, ausser den Wolken am Himmel… und doch spürte ich das Leben pulsieren, nur eben sehr langsam, ganz ruhig und wunderbar friedvoll…
In der im Bild oben zu sehenden Bakery gibt’s übrigens richtig leckeres Frühstück und Mittagessen. Nicht nur dass die Big Timber Bakery von innen und aussen äusserst einladend wirkt und die herrlichsten Düfte mich ganz leicht zu allen möglichen Sünden hätten verführen können, nein die haben hier sogar glutenfreie Leckereien im Angebot. Beim ersten Besuch hier ergatterte ich ein leckeres Cookie, welches mit Kokosmehl hergestellt wurde, wie ich beim späteren Genuss feststellen durfte. Wunderbar saftig und sooo lecker!!! Ich mag ja eigentlich keine Kekse, viel zu trocken und zu süss und überhaupt…. und die bei uns erhältlichen glutenfreien Varianten sind komplett ungeniessbar… Dieses Kokos-Cookie der Big Timber Bakery schlug aber alles, was ich je an Cookies probiert habe. Einfach nur wundervoll. Dann gönnte ich mir beim zweiten Besuch einen Brownie, eigentlich ein Schokokuchen, zum Frühstück. Ich dachte, wenn die glutenfreie Cookies so gut hinkriegen, dann musste doch auch ihre Version eines Brownies bei mir punkten können. Ja, ich mag eigentlich keine Schokolade und Kuchen auch nicht… Aber dieses Teilchen hat mich vollends rumgekriegt. Saftig, klebrig, schokoladig, im Kern fast flüssig, aber nur andeutungsweise… ach himmlisch… ich muss deren Rezept herausfinden, denn diese Sünde muss zuhause nachgebacken werden.
Und auch im Restaurant des Grand Hotel habe ich hervorragend gegessen. Hier gefällt mir die Atmosphäre besonders gut. Man sitzt in US-typischen Booths, die Inneneinrichtung ist rustikal aber trotzdem chic. Und das Essen ist einfach aber richtig gut! Alles wirkt hier gemütlich und doch etwas abgehoben vom Diner-Flair der hier sonst üblichen Lokalitäten.
Na los! Lest mal den Namen dieses Shops! Wär das nicht der perfekte Laden für mich?
Und nicht nur die Hauptstrasse versprüht den typischen Small-Town-Charme, auch die Residential Areas gleich links und rechts neben der McLeod (ha! ich weiss jetzt, wie man das richtig ausspricht) haben einiges zu bieten. Kuschelig und einladend reiht sich hier Häuschen an Häuschen. Selbst die Hinterhöfe und Seitenstrassen wirken nicht verkommen oder gar gefährlich, sondern unterstreichen den rauen Charme dieses niedlichen Städtchens. Hier würde ich entspannt und ausnahmsweise gerne auf Entdeckungstour gehen.
An diesem Tag durfte ich auch gleich die nähere Umgebung von Big Timber kennenlernen. Denn meine mir mittlerweile sehr ans Herz gewachsene Gastgeberfamilie nahm mich auf eine kleine Fahrt rund um dieses süsse kleine Städtchen mit. Ich genoss es unendlich, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen und die fantastische Landschaft geniessen zu dürfen. Und da ich nicht den Wagen steuern musste, nicht auf den Verkehr oder auch nur auf den Verlauf der Strasse zu achten brauchte, gab ich mich völlig meiner Leidenschaft hin und knipste wild drauflos…
Da es hier wie überall in Montana vor „Wildlife“ nur so wimmelte, war es wohl unvermeidbar auch Zeuge dessen Zerstörung zu werden. Immer wieder stiessen wir auf unserer Tour auf durch Autos getötete Tiere, meist Rehe. Der Anblick der Kadaver war mir unerträglich, und ich schickte ein Stossgebet nach dem anderen gen Himmel, mir möge doch bitte keins dieser herrlichen Geschöpfe vor den Kühlergrill laufen… Dennoch hatte der weitere Verlauf der Natur etwas äusserst faszinierendes an sich. Jetzt im Winter jedenfalls lagen die armen Tiere nicht lange unbeachtet am Strassenrand herum. Sie dienten bald als Futterkrippe für allerlei anderes Getier, welche die sogenannten „Roadkills“ als leichte Beute gerne willkommen hiessen. Hier hatte sich ein riesiger Steinadler über ein totgefahrenes Reh hergemacht. Die daneben wartenden Elstern hatten keine Chance, auch nur einen Bissen davon abzubekommen.
Was für ein Silvester! Auch der noch nicht ganz volle Mond war bereits aufgegangen und goss sein silbernes Licht auf die sich unter ihm ausbreitende Landschaft. Ich war völlig verzaubert und verliebte mich mehr und mehr in dieses herrliche Land.
Während wir Zweibeiner nach unserer Sightseeing-Tour im Saloon des Grand Hotel in Big Timber den mystischsten Abend des ganzen Jahres bei einem Glas Wein und den vertrauten Klängen von Dire Straits verbrachten, musste mein Lieblingshund Blue bei -26°C draussen im Auto auf uns warten. Und obwohl sich an den Scheiben des Wagens Eisblumen zu bilden begannen, schien ihm das nichts auszumachen. Freudestrahlend empfing er uns und war einfach nur zufrieden seine Familie wieder bei sich zu haben.
Glücklich und zufrieden machten wir uns auf den Heimweg. Dass mich in dieser Nacht noch ein verspätetes Weihnachtsgeschenk erwartete, wusste ich in diesem Moment noch nicht…
Liebe Eva, einfach herrlich. Ich hocke beim Morgenkaffee und ziehe deinen Beitrag rein. Tränen kullern und ich fühle mich fast dorthin versetzt. Habe lang gewartet für eine neue Geschichte. Mach weiter so….. Liebs Griessli Margrit
Liebe Eva, die Fotos sprechen für sich, wunderschön und ich kann nicht genug davon bekommen. Du könntest doch einen Bildband machen und verkaufen?…..Liebe Grüsse Maria