Hi-Line – die Schönheit von Montanas Norden…

Unterwegs im Nichts…

Schon lange hegte ich den Traum, mich hier oben in den Weiten der Prärie Montanas entlang der Hi-Line austoben zu dürfen. Und jetzt war ich endlich hier. Ich weiss, für viele ist das hier NICHTS… Hier gibt’s NICHTS… Man sieht NICHTS… Da ist NICHTS… Langweilig und öde, oder? Tja, für mich stimmt das ganz und gar nicht. Wann immer ich in diese traumhafte und magische Landschaft eintauchen darf, geht mein Herz auf! Meine Seele zerfliesst und breitet sich in die unermesslichen Weiten der nicht enden wollenden Prärie aus. Hier hab ich endlich genug Raum. Hier ist ruhig und friedlich. Und mein Blick ruht auf einer Fülle von Schönheit und Perfektion, wie ich sie sonst nirgendwo empfinden kann. Hier ist meine Seele ZUHAUSE!!!!

Immer noch voller Begeisterung darüber, einem waschechten wilden und unglaublich schönen Grizzly begegnet zu sein, hatte ich mich auf die Fahrt hinunter ins Tal gemacht. Jetzt gesellte sich auch noch die Vorfreude hinzu, endlich „nach Hause“ zu kommen.

Und so wäre ich fast am Blackfeet Indian Memorial vorbeigefahren. Erst im letzten Moment entschied ich mich, hier doch nochmal auf diesen „Scenic Turnout“ rauszufahren und mich ein wenig umzusehen. Denn angeschrieben war wieder einmal nichts, wie offenbar fast überall auf Indianerland.

Still und friedlich ist’s hier oben. Und irgendwie traurig. Die herrliche und erhabene Landschaft als Kulisse für ein paar Skulpturen, welche für die unwiederbringlich verlorene Vergangenheit der Ureinwohner Nordamerikas stehen, lässt mich nicht unberührt. Wie unendlich viel hat der „weisse Mann“ hier zerstört, aus Unwissenheit und Dummheit vielleicht, meistens jedoch aus reiner Habgier, aus Neid und tief empfundenem Hass auf alles Fremde und Andersartige… Und jetzt steh auch ich hier und kann nur noch einen leisen Hauch der hier einst existierenden Völker und Kulturen erahnen. Doch das Herz der Ureinwohner pocht noch, versteckt und ganz leise zwar, aber ich kann es hören…

Und dann bin ich endlich hinunter ins Tal gefahren und hinaus in die unermesslichen Weiten der Prärie. Voller Euphorie hab ich meine Seele hineinstürzen lassen in diese herrliche Landschaft. Endlich Zuhause! Hier gehör ich hin. Hier möchte ich bleiben…

Gleich hier am Fuss der majestätischen Rocky Mountains, aber inmitten der für mich so wundervollen und herzzerreissend schönen Prärie liegt Browning. Das Städtchen befindet sich vollständig auf Blackfeet Gebiet und ist als einziger Ort auf der Blackfeet Reservation deren „Headquarter“! Ich hab schon so viel Negatives über diesen angeblich so heruntergekommenen Ort gehört, dass ich nicht ganz vorurteilsfrei hier durchgefahren bin. Überall soll nur Müll rumliegen, verwahrloste Hunde herumstreunen, die Leute sollen unfreundlich und sogar gefährlich sein… blablabla… jaja klar!!! Muss das tatsächlich wieder von vorne losgehen? Von wegen diese unzivilisierten Wilden?

Also, da liegt kein Müll rum, überhaupt keiner!!! Aber ja, es gibt keine englischen Rosen und keine weiss umzäunten Vorgärten. Die Häuser sind auch keine schmucken kleinen Lebkuchenhäuschen sondern mehrheitlich weniger bis gar nicht gepflegte „Mobilehomes“. Aber was soll’s! Diese Menschen sind gezwungen worden, so zu leben wie die Weissen. Das ist nicht wirklich ihre Welt. Kann man sie nicht wenigstens diese erzwungene Welt so gestalten lassen, wie sie es für richtig halten? Und ja auch viele scheinbar streunende Hunde gibt’s hier. Aber die sind keineswegs verwahrlost, abgemagert oder ungepflegt. Die Menschen hier sperren ihre Hunde bloss nicht weg, wie das bei uns gehandhabt wird. Diese Tiere dürfen frei leben und nach Hause kommen oder wieder gehen wie es ihnen beliebt. Kann es denn ein schöneres Hundeleben geben?

Und die Menschen sind alles andere als unfreundlich! Zurückgezogen, misstrauisch den Fremden gegenüber, stolz… ja! Und das ist ihr gutes Recht. Aber wenn sie angesprochen werden, sind sie alle ausnahmslos sehr hilfsbereit, geben gerne Auskunft und sind äusserst interessiert. Ich hab mich anfangs hier sehr unsicher gefühlt, aber nach dem Besuch des wirklich sehenswerten Museum of the Plains Indian hat sich das schnell geändert. Im Museum hab ich dann auch noch Ernest Marceau Jr. kennenlernen dürfen, einen Blackfoot-Künstler, dem ich sehr gerne zwei seiner Bilder abgekauft habe. Seine Werke haben mich total fasziniert, denn sie sind genauso geisterhaft und magisch wie das Land in dem er lebt. Und so hängen jetzt zwei seiner wunderschönen Zeichnungen bei mir Zuhause zwischen meinen Fotos an den Wänden, damit ich auch hier in jene zauberhafte Welt eintauchen kann.

Da ich in Browning selber nicht fotografieren wollte, aus Respekt den Bewohnern gegenüber, und im Museum das Fotografieren eh nicht erlaubt ist, kann ich Euch nicht mehr von Browning zeigen. Aber ich denke das ist vollkommen in Ordnung so. Ich habe den Eindruck, dass die Ureinwohner der USA viel mehr Wert auf ihre Privatsphäre legen als die restlichen „Amerikaner“. Und deshalb lass ich ihnen diese nur zu gerne.

Ich bin dann weiter nach Cut Bank gefahren, wo ich das süsseste Airbnb überhaupt für die nächsten zwei Nächte bezog.

Winzig klein, aber ausgestattet mit allem was man braucht, um glücklich zu sein… was für ein Fund auf Airbnb!!! Ich war restlos begeistert und hab mich hier super wohl gefühlt. Gleich um die Ecke gibt’s noch einen Albertson’s, wo ich mich mit Fressalien für die folgenden paar Tage eingedeckt habe. Das heisst, ich brauchte ja nur noch was für’s Abendessen heute, dann Food für den folgenden Tag und noch etwas für ein Picknick am übernächsten Tag. Also musste ich mich zusammenreissen, um nicht einfach überall nach Lust und Laune zuzulangen. Denn sollte ich etwas übrig haben, würde ich alles wegwerfen müssen, weil mein weiterer Weg mich nach Kanada führte und ich da nichts Frisches an Fleisch und Gemüse oder Obst mit rüber schleppen durfte. Auch meinen geliebten Chardonnay konnte ich da drüben vergessen. Also galt es, hier in Cut Bank noch so richtig zu geniessen, was das Zeug hält :-). Und genau das hab ich dann auch gemacht. Voller Enthusiasmus bin ich durch das Gebiet der Hi-Line dem Highway Nr. 2 entlang gebrettert und hab diese fantastisch endlose Weite um mich herum genossen. Ich habe die herrlichsten Steaks und die besten Salate verdrückt und meinen Durst mit dem köstlichsten Chardonnay gestillt. Ich hab überall angehalten, wo ich gerade Lust dazu hatte, denn hier war sonst kaum jemand unterwegs. Tja, und ich hatte meine liebe Mühe, diese herrliche und für mich so wohltuende Weite, das wunderbare Nichts in meinen Fotos festzuhalten. Wie bitte bildet man NICHTS ab? Und wie kann ich zeigen, wie schön NICHTS ist?

Hier oben könnte ich tatsächlich ewig herumgondeln und immer wieder Neues entdecken. Hier gibt’s soviel im unendlichen NICHTS! Aber ich musste schon wieder die Koffer packen, denn morgen geht’s rüber nach Kanada…

P.S. Im nächsten Sommer komme ich wieder, wenn die Ureinwohner hier oben ihre Pow-Wows abhalten und eine längst verloren geglaubte Welt wieder aufleben lassen…

Hier geht’s weiter…

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