
Welche Aufregung heute… Auf dem Weg zum Hoh Rain Forest fuhren wir durch eine abenteuerliche Landschaft. Dichte grüne Wälder wechselten sich mit hellen offenen Flusslandschaften ab. Dunkle Schatten lösten grelles Licht ab… Meine Augen mussten sich im Minutentakt immer wieder umgewöhnen, und nach jedem Wechsel sah ich erst mal gar nichts mehr… Als die Strasse erneut in dunkle Schatten führte, bremste ich sehr stark ab, da ich nicht mal den Strassenverlauf erkennen konnte. Schatten tanzten um uns herum, und plötzlich löste sich ein dunkles Etwas vom Waldrand und sprang über die Strasse. Ich hielt sofort ganz an, und sah völlig entgeistert zu, wie ein kleiner Schwarzbär zwei Meter von uns entfernt gemütlich an den Blümchen schnupperte, zwei oder dreien den Kopf abbiss, frech um sich schaute, und als ich endlich an die Kamera dachte, die Böschung runter zum Fluss entschwand. Er war so süss und putzig, klein eigentlich, dass ich dachte, das sei doch sicher ein Jungtier, und Mama-Bär kann nicht weit sein. Bloss nicht die Mutter vom Baby trennen, indem ich jetzt weiterfuhr und unser Auto zwischen die beiden schob, schoss es mir durch den Kopf… Aber da kam nichts mehr nach. Also bin ich ganz langsam weitergefahren, erfüllt von einer unbändigen Freude. Mein erster Bär in freier Wildbahn… Wow, was für ein Gefühl. Im Visitor Center bin ich schnell nachlesen gegangen, um was für einen Teddy es sich denn hier gehandelt hat. Also definitiv ein Schwarzbär und gemäss den Grössenangaben ein Weibchen. Einziger Frust: ich hab das Bärchen nicht aufs Foto gebannt. So kann ich hier also nur ein Handy-Foto, welches Suman zustande gebracht hat, vorweisen:
Aber immerhin, ein süsser wilder Teddy am Rande des Hoh Rain Forests. Beim Visitor Center wird übrigens auf verschiedenen Tafeln darauf hingewiesen, gesichtete Bären und Pumas doch umgehend zu melden, da diese, wenn sie sich zu nahe an Menschen heranwagen, erschossen werden müssten. Und das in einem Nationalpark? Ja, ganz bestimmt werde ich das Bärchen niemandem melden. Schliesslich dringen wir hier in sein Revier ein und nicht umgekehrt.
Nach einem kurzen Picknick auf dem idyllischen Parkplatz vor dem Visitor-Center bin ich dann den Hall of Mosses Trail abgelaufen. Alleine, denn Suman hatte keine Lust. Er zog ein Nickerchen auf dem Stück Rasen vor unserem Auto vor. Auch gut, so konnte ich diese magische Welt viel intensiver wahrnehmen und gleich richtig eintauchen in das wabernde grüne Licht dieses Märchenwaldes.
Achtung, jetzt wird’s grün… sehr grün!!! Ich konnte nicht aufhören mit knipsen, und jetzt beim Erstellen dieses Berichts konnte ich mich nicht für nur ein paar wenige Bilder entscheiden. Ihr kriegt hier also die volle Ladung Regenwald ab. Wem das zuviel wird, einfach schnell weiter scrollen. Alle andern können hier mit mir eintauchen in diese grüne fantastische Zauberwelt eines real exististierenden herrlich magischen Urwalds…
Der gewundene schmale Weg führt immer tiefer hinein in den Hoh Rain Forest, vorbei an den skurrilsten Baumwesen, welche über und über mit Moosflechten behangen sind und ihre langen Äste wie Krakenarme nach den Eindringlingen auszustrecken scheinen.
Hätten wir nicht wieder so herrliches Wetter gehabt, wäre es hier drin wohl richtig unheimlich geworden. So aber, mit all dem grellen Sonnenschein, dem es bis auf den Grund des Waldes vorzudringen gelang, wirkte die Umgebung auf mich zwar geisterhaft aber hell und freundlich. Ich fühlte mich hier drin richtig wohl. Auch dass hier so einiges an wildem Getier unterwegs war, vergass ich schnell, und wanderte gemütlich zwischen den ungewöhnlichsten, bizarren Baumformationen umher, fasziniert von deren Anblick und der hier herrschenden zauberhaften Atmosphäre.
Fast erwartete ich Trolle und Feen hinter den Baumwurzeln und unter den Farnblättern zu entdecken, so sehr fühlte ich mich in eine Märchenwelt versetzt. Alles wirkte verträumt und unwirklich.
Wären da nicht noch andere Touristen unterwegs gewesen, hätte ich für Ewigkeiten versinken können in diese magische Traumwelt.
Auf der Fahrt hinaus aus dem Regenwald entdeckte Suman in einem kleinen Flusslauf entlang der Strasse diesen geschickten Jäger: einen Flussotter… Gebannt schauten wir zu, wie er in dem flachen Gewässer hin und her schwamm, immer wieder untertauchte, offenbar etwas Fressbares an die Wasseroberfläche zerrte und dort genussvoll vertilgte. Keine Ahnung was das war, denn erkennen konnten wir nicht viel, auch später auf den Fotos nicht. Aber er schien nicht so schnell satt zu werden, denn er tauchte immer wieder ab auf der Jagd nach weiteren Leckereien. Dass wir ihn ungeniert dabei beobachteten, schien ihn nicht im geringsten zu stören. Er gönnte uns nicht mal einen Blick, ignorierte uns komplett und jagte einfach weiter seinen Häppchen hinterher…
Und weiter ging’s zum Rialto Beach auf der anderen Seite von La Push. Hier krachte der Pazifik wild und ungezähmt an den Strand. Der Wind war eisig, und Nebel zog vom Meer her an die Küste. Suman gefiel’s nicht, ich war begeistert. Hier war alles so energiegeladen, fast hörte ich die Luft knistern. Kurz zuvor im Auto hätte ich am liebsten ein Nickerchen eingeschoben, aber kaum ausgestiegen, fühlte ich mich wie elektrisiert, hellwach und lebendig. Der eisig kalte Wind machte den Aufenthalt hier zwar ziemlich ungemütlich, aber das störte mich nicht wirklich. Die ungestüme Wildheit dieser Gegend stand in krassem Gegensatz zur eben erlebten ruhigen Idylle des Hoh Rain Forests und hatte vielleicht gerade deswegen eine derart intensive Wirkung auf mich. Der Wind zerrte an meinen Kleidern, riss mein Haar aus dem fest zusammengebundenen Knoten und liess mich vor Kälte erzittern. Gleichzeitig erfüllte mich mit jedem Atemzug eine unglaubliche Vitalität, und ich musste einfach drauflos stapfen und mich hineinwerfen in diese urige sturmumtoste Landschaft. Herrlich wie hier zwei Welten aufeinander stiessen. Und ich durfte mich zwischen die Fronten wagen, auf der Grenzlinie beider Welten wandeln. Ob das die wahre Twilight Zone war?
Der Strand hier war übersät mit wunderbar glatt geschliffenen Kieseln. Einer schöner als der andere. Ich konnte nicht widerstehen und habe den, der am lautesten nach mir rief, eingesteckt. Zum Glück war’s nur ein ganz kleiner… Seither trag ich ihn immer bei mir und berühre ihn, wann immer ich die Energie dieses Ortes spüren möchte…
Hier leben übrigens die Quileute schon seit 4’000 Jahren, und der Legende nach stammen sie tatsächlich von Wölfen ab!!! Genauso wie in Stephenie Meyer’s Geschichte. Die vorgelagerten Felsblöcke (Haystacks) dienten ihnen als Festung zur Abwehr von feindlichen Stämmen. Und vom Meer aus konnte man ihr Dorf nicht sehen… Es fällt nicht schwer, sich hier um 1000 Jahre zurückzuversetzen. Ich kann die Hütten sehen, die spielenden Kinder, die mit reichem Fang beladenen Kanus der zu ihren Familien zurückkehrenden Männer. Alles hier sieht wohl genauso aus wie vor tausenden von Jahren. Hier hat sich nichts verändert. Der Mensch hat hier keine Spuren zu hinterlassen vermocht. Bestimmt hätte man hier vor tausenden von Jahren dieselben Aufnahmen gemacht wie heute…
Und wieder ging’s am Abend auf der herrlich von der Sonne beschienenen Strecke zurück nach Forks. Ich genoss die Fahrt wieder sehr, war mir doch bewusst, dass wir die Olympic Peninsula morgen wieder verlassen würden.
Da uns das heute früh im Forks Outfitters & Thriftway erstandene Picknick so sehr geschmeckt hatte, fuhren wir auf dem Rückweg zum Hotel nochmal zu dem wohl einzigen Supermarkt in dieser Gegend. Hier gibt’s alles, was das Herz begehrt. Sogar die gesamte Outdoor-Ausrüstung kann man sich hier zusammenstellen. Und in diesem Laden hatte Bella in den Twilight-Büchern einen Aushilfsjob. Aber am wichtigsten war uns die fantastische Deli-Abteilung. Hier soll alles frisch zubereitet sein, und dass es schmeckt, hatten wir ja schon festgestellt. Also haben wir hier unser Abendessen besorgt, um es gemütlich auf dem Bett unseres Motelzimmers lümmelnd geniessen zu können. Suman verzehrte mit grossem Appetit eine riesige Portion Fried Chicken und ich hab mir brav einen Salat aus jungen Spinatblättern, karamellisierten Pecannüssen, Blue Cheese und Granatapfelkernen gegönnt. Dem Roasted Chicken Thigh konnte ich natürlich auch nicht widerstehen und ein wundervoller kalifornischer Chardonnay rundete das Festmahl ab.
Den glutenfreien Cheesecake, den ich im Thriftway gefunden hatte, und Sumans Twinkies hoben wir uns für’s Frühstück auf….