
So, endlich kann ich wieder einigermassen schmerzfrei tippen! Und endlich kommt auch die Lust am Schreiben wieder zurück.
Das möchte ich doch gleich nutzen, um ein wenig für meine nächste grosse Reise zu trainieren. Südkorea!
Crash Landing on You
Während all der vergnüglichen Vorbereitungen und Recherchen bin ich auf diverse Zeitungsartikel gestossen, welche sich lauthals über den unerträglichen Massentourismus in der Schweiz entrüsten. Vor allem koreanische Touristen würden gewisse Ortschaften der ach so idyllischen Schweiz nicht nur besichtigen sondern regelrecht überrennen und niedertrampeln. Alle wollten die in einem sogenannten K-Drama namens Crash Landing on You genutzten Drehorte mit eigenen Augen sehen. Also stürmten sie alle in die hübschen Dörfchen, zerstörten die zuvor so wunderbare Atmosphäre und vor allem den Seelenfrieden der armen Dorfbewohner. Und das Schlimmste: sie wollten nicht einmal dafür bezahlen. Haha! Ja klar! Daher weht der Wind also. Laut der Zeitungsartikel hat man also in Windeseile Drehkreuze und Zahlhäuschen aufgestellt, um die sich ageblich nicht zu benehmen wissenden asiatischen Touristen zu melken. CHF 5.– pro Person müssen investiert werden, um zum Beispiel auf einen Holzsteg am Brienzersee gelassen zu werden. Kilometerlange Schlangen würden sich davor bilden, weil sämtliche Koreaner auf diesen Holzsteg hinauswollten, um dort „Selfies“ machen zu können. Und sind denn jetzt die lieben Einwohner zufrieden? Jetzt wo da ja jede Saison ein hübsches Sümmchen zusammenkommt? Und stimmt das alles überhaupt?
Die Serie hatte ich auch schon gesehen, und da kommen tatsächlich ein paar malerische in der Schweiz gedrehte Szenen vor. Ich kann durchaus verstehen, dass man da mal hin will. Und ehrlich gesagt, ich mache das ja auch gerne, den zum Teil wunderschönen Drehorten auf der ganzen Welt nachreisen…
Warum also nicht mal hier in der Schweiz Tourist spielen und den Drehorten für Crash Landing on You (sowie diesen reisserischen und womöglich erfundenen Zeitungsartikeln) nachspüren?
Ein Datum Anfang August war schnell gefunden, da ich für jenen Tag bereits ein Ticket für ein Klavier Recital von einem fantastischen koreanischen Pianisten in der Kirche von Saaten hatte. Das passt doch perfekt! Also los geht’s!
Panoramabrücke Sigriswil
Wir machten uns relativ spät am Vormittag auf den Weg, standen noch etwas im Stau und kamen dann pünktlich zum Mittagessen beim Restaurant Panorama in Aeschlen an. Das ist übrigens ein China-Restaurant, welches auch Schweizer Küche anbietet. Naja, wahrscheinlich war’s keins von beidem, aber wir sind alle satt geworden, haben die tolle Aussicht genossen und fühlten uns pudelwohl unter all den anderen internationalen Touristen.





Gestärkt und mittlerweile richtig neugierig spazierten wir dem hübschen Weg entlang zur nur wenige 100 m entfernten Panoramabrücke von Sigriswil.








An dieser Stelle wurden einige nette Szenen des K-Dramas gedreht, worauf sogar mit einer auf der Sigriswiler Seite aufgestellten Tafel hingewiesen wird.


Hier muss man pro Person ganze CHF 8.– hinblättern. Aber das lohnt sich ja auch richtig, denn dafür darf man den ganzen Tag auf der Brücke hin- und herlaufen. Allerdings konnten wir das leider nicht voll auskosten, da wir noch ein paar weitere Programmpunkte abzuhaken hatten. Trotzdem ist diese Brücke eine Reise wert. Die Landschaft ist tatsächlich wunderschön, der Ausblick von der Brücke aus atemberaubend.












Und obwohl wir an einem Samstag mitten in der Hochsaison unterwegs waren, hatten sich nur vereinzelte Touristen hierher verirrt, sodass wir eine unverstellte Sicht auf die Landschaft rund um ums herum geniessen durften.
Iseltwald
Nachdem wir uns gebührend ausgetobt hatten auf der zugegebenermassen sehr eindrücklichen Panoramabrücke, führte uns unsere Tour weiter nach Iseltwald am Brienzersee, ein weiterer Drehort für eine lustige Szene in Crash Landing on You…. ok, wahrscheinlich nur lustig für Ortsansässige oder zumindest Ortskundige… Der Hauptdarsteller sass da nämlich mit gepackten Koffern an seinem auf dem bereits erwähnten Holzsteg aufgebauten Klavier und wartete, eine für seinen verstorbenen Bruder komponierte Melodie spielend, auf sein Schiff zurück nach Nordkorea, oder vielleicht zumindest zum nächsten Flughafen. Ich hab mich halb kaputt gelacht bei dieser Szene, aber schön romantisch ausgesehen hatte das ja schon…




Hier waren schon mehr Touristen unterwegs, allerdings kaum Koreaner sondern vor allem Chinesen. Ja, ich bin ganz stolz darauf, die koreanische Sprache mittlerweile ziemlich treffsicher zumindest erkennen zu können…



Aber es gab auch hier keine kilometerlangen Schlagen, eigentlich gar keine… Eine kleine Traube Touristen stand vor dem Drehkreuz auf dem berüchtigten Steg, ansonsten war auch hier nicht der beschriebene und deshalb erwartete Rummel zu erleben. Auch benahm sich nicht eine einzige Person daneben. Alle verhielten sich sehr gesittet und eher unauffällig. Mag schon sein, dass es da mal einen Massenansturm gab, nachdem die Serie ausgestrahlt worden war, wobei ich mir auch das nicht so richtig vorstellen kann. Diese Serie wurde 2019/20 ausgestrahlt und anschliessend legte Covid die gesamte Reisetätigkeit weltweit lahm. Wann bitte sehr soll dieser Touristenansturm stattgefunden haben? Ich höre immer noch die endlosen Klagen all der Gastwirte, Hoteliers und Touristen-Shop-Betreiber, sie könnten nicht überleben, da all die vor allem asiatischen Touristen ausblieben. Und jetzt, da sie wieder kommen, wird gemeckert, was das Zeug hält? Also ist das tatsächlich das Bild, welches die Schweiz nach aussen abgeben möchte? Liebe Touristen, wir nehmen gerne Ihr Geld, aber bitte zahlen sie online und bleiben Sie wo Sie sind? Wirklich traurig! Vielleicht tu ich den lieben Bewohnern dieser touristisch so attraktiven Ortschaften aber auch unrecht und die Zeitungsmeldungen sind alle erstunken und erlogen? Ich weiss es wirklich nicht…




Jedenfalls habe ich diese tatsächlich recht touristischen Örtchen sehr genossen. Die Szenerie ist wunderschön, die Menschen, Touristen wie Einheimische, sind ausnahmslos nett und höflich… Nur die Preise sind unverschämt hoch und nicht wirklich gerechtfertigt…
Saanen
Nachdem wir nun genug Tourist im eigenen Land gespielt hatten, ging’s weiter nach Saanen.

Hier ging mein Anhang wieder essen und ich ins Konzert von Seong-Jin Cho! Anlässlich des diesjährigen Gstaad Menuhin Festivals war eigentlich ein anderer Künstler für diesen Abend vorgesehen. Dieser konnte aber aus irgendeinem Grund nicht auftreten, wofür ich ihm sehr dankbar war. Denn so konnte Seong-Jin Cho für ihn einspringen, was mir einen würdigen Abschluss für meine Korean Switzerland-Tour bescherte. Es gibt sicherlich viele hervorragende Klaviervirtuosen, aber Seong-Jin Cho ist der einzige, der mich mit seinem einfühlsamen magischen Spiel berühren kann. Durch ihn hab ich wieder Zugang zur klassischen Musik gefunden. Und dass er in seinem Heimatland Südkorea Superstar-Status „geniesst“ spricht ja auch für sich…
Tja, und hier fanden sich dann auch tatsächlich ziemlich viele Koreaner ein, um ihren Klavierpoeten gebührend zu feiern.
Nun, also die Kirche in Saanen liegt idyllisch in mitten einer märchenhaften Berglandschaft und ist für sich allein schon eine Sehenswürdigkeit. Die Stimmung draussen auf dem Gelände war schon ganz anders als vor den üblichen grossen Konzerthäusern. Viel natürlicher, entspannter und intimer fühlte es sich da an. Dennoch herrschte überall ein erwartungsvolles Kribbeln. Drinnen konnte man Seong-Jin Cho proben hören, draussen trafen nach und nach die Gäste ein und spazierten noch ein bisschen umher, um die Umgebung zu geniessen.





Als sich dann endlich die Türen öffneten und man eintreten durfte in dieses wunderschöne alte Kirchlein, war ich sofort gefangen von der eigentümlichen Atmosphäre, die mich dort empfing.





Anfangs durfte ich diese andächtige Stimmung noch alleine und ungestört in meiner Sitzreihe geniessen. Aber dann kamen plötzlich all die hochwohlgeborenen Damen und Herren der Gesellschaft und hielten lautstark und störend Einzug in die zuvor so friedlich wirkende Kirche. Mir war zwar schon bewusst, dass diese Region der Schweiz von der obersten Gesellschaftsschicht „regiert“ wird, aber dass diese sich selbst als elitär betrachtende Bevölkerungsschicht eigentlich diejenige ist, die sich absolut nicht zu benehmen weiss, ist mir erst an diesem Abend aufgefallen. Ständig rutschten sie auf den knarrenden Holzbänken herum, liessen Dinge fallen, beklagten sich zischelnd und fauchend über dies und jenes, sodass einfach keine Ruhe einkehren wollte. Selbst als der schüchtern und etwas verloren wirkende Pianist die Bühne betrat, hörte dieses ungebührliche Verhalten nicht auf. Tadelnde Einwände anderer Gäste wurden mit verächtlichen Blicken und herablassenden Handbewegungen weggewischt.


Glücklicherweise liess sich Seong-Jin Cho von dieser Unruhe jedoch überhaupt nicht stören. Nach einem kurzen Moment der Konzentration schien er in eine andere Welt zu versinken, und schon mit den ersten Klängen verzauberte er das ansonsten hingerissene Publikum.

Die erste halbe Stunde widmete er Maurice Ravel, was so gar nicht mein Geschmack ist, eigentlich… Trotzdem tauchte ich unversehens in eine magische Klangwelt ein, in welcher ich den Eindruck gewann, die Töne nicht nur hören und fühlen sondern sogar sehen zu können. Die Musik malte Bilder vor meinem inneren Auge und liess auch mich das nervige Publikum um mich herum vollends vergessen.
Die folgende Stunde dann galt Franz Liszt, und da war es wieder um mich geschehen. Ich liebe diese Musik und ich liebe Seong-Jin Cho’s Spiel. Einfach traumhaft schön, emotional, berührend und äusserst feinfühlig. Während andere Künstler in erster Linie sich selbst mit Hilfe der Musik darzustellen versuchen, lässt Seong-Jin Cho mit Hilfe seines Könnens und seiner Persönlichkeit die Musik für sich sprechen.

Draussen in der realen Welt zurück strömten die Menschenmassen an mir vorbei und drängelten unaufhaltsam vorwärts, als hätten sie einen weiteren Termin einzuhalten. Einer Dame, die es besonders eilig zu haben schien, musste ich sogar ausweichen, da sie mich immer wieder von hinten ziemlich ruppig anstiess. Übrigens auch so ein elitäres Wesen, dem ich allerdings sehr dankbar bin für das schlechte Benehmen. Als ich nämlich aus dem Menschenstrom heraustrat, um diese Dränglerin vorbeizulassen, sah ich direkt in die Augen von Seong-Jin Cho… Ich war so schockiert, ihn unmittelbar vor mir stehen zu sehen, dass ich wie angewurzelt stehen blieb. Er war damit beschäftigt mit seinen koreanischen Fans Selfies zu schiessen, lächelte stets höflich, wie es sich gehört und wirkte dabei aber eher scheu und ein wenig unsicher. Diese unglaubliche musikalische Gewalt in seinem Innern ist ihm von aussen und abseits seines Pianos nicht anzusehen. Einfach wundervoll dieser junge Mensch!
Ein wunderschöner Tag ging zu Ende. Ich finde die Schweiz hat tatsächlich einige märchenhafte Postkarten-Idyllen zu bieten, und sie vermarktet diese auch entsprechend. Dass damit aber auch die Kehrseite der Medaille zu akzeptieren ist, versteht sich meiner Meinung nach von selbst.
Ich werde jedenfalls noch weitere solcher typischen Touristen Hot Spots in der Schweiz besuchen gehen. Denn es macht richtig Spass, das eigene Land einmal durch fremde Augen zu betrachten.
Querida Eva que manera más fantástica de acercarnos a esos lugares que para algunos de nosotros quedan tan lejos. Eres una máquina de la fotografía…pero no solo de la fotografía, también de la escritura. Te conozco poco pero eres un icono a seguir para mí. Te reintegro mi admiración personal y me gustaría sugerirte que escribas un libro. Gustosa seré tu fans número 1. Un saludo desde este pequeño lugar del mundo.💗
Ay Maricarmen, que comentario más lindo!! 😍 Me encanta demasiado que te guste mi pagina. Prometo volver a escribir más sobre Extremadura… en fin, ya que pronto viviré allí. Sólo unos pocos años más para ir… 🥰