
Die wenigen Blicke, die beim Landeanflug zu erhaschen waren, liessen mein Herz höher schlagen. Wunderschöne tiefgrüne Wälder breiteten sich unter mir aus, eingerahmt von schneebedeckten Bergketten, durchbrochen von Meerengen und Seen. Und mittendrin Seattle….
Während der Taxifahrt ins Zentrum war ich dann aber doch irgendwie enttäuscht. Nachdem Chicago einen so herausgeputzten und grandiosen Eindruck auf mich gemacht hatte, wirkte Seattle trotz des vielen Grüns gar nicht wie die sogenannte Smaragdstadt sondern eher trist und heruntergekommen. Überall Baustellen, auf den ersten Blick eher trübe Stimmung, viel Lärm und rund um die Uhr ein horrendes Verkehrschaos. Alles Gründe für mich, so schnell wie möglich das Weite zu suchen. Eigentlich…
Als wir dann aber in unserem Hotel Hyatt Place Seattle Downtown ankamen, wo wir sehr herzlich willkommen geheissen wurden und auch gleich unser Zimmer beziehen konnten, fühlte ich mich schon wieder etwas wohler und wurde neugierig auf das, was Seattle zu bieten hatte.
Und nachdem die Wetterprognosen für die nächsten beiden Tage nicht sehr viel Gutes verhiessen, machten wir uns gleich wieder auf den Weg, um einen zweiten, genaueren Blick zu riskieren. Eigentlich war hier nur alles nicht so auf Hochglanz poliert wie in Chicago. Die Hochhäuser in Downtown ragten nicht so weit in den Himmel empor und wirkten daher nicht so spektakulär. Die Strassen hier sind breiter und die Kreuzungen riesig. Hier zu Fuss über eine Strassenkreuzung zu gelangen ist ein kleines Abenteuer, obwohl die hier sprechenden Ampeln uns sicher überall hinübergeleiteten. Wir fanden uns schnell zurecht und liefen schnurstracks zur nur wenige Minuten entfernten Space Needle.
Aus unzähligen Filmen kannte ich das Wahrzeichen Seattles und auch von unserem Hotel aus konnte man es sehen, aber nun davor zu stehen und den Blick daran emporklettern zu lassen, war genau der Kick, den ich brauchte, um die zuvor erhaltenen ersten Eindrücke zu vergessen und mich unvoreingenommen auf diese sehr ungewöhnliche amerikanische Stadt einzulassen. Natürlich wollte ich da hinauf, und dieses Mal benötigte auch Herr Barua keine Überzeugungsarbeit meinerseits, weshalb wir uns diesmal ohne lange Wartezeiten schon ein paar Minuten später in der kleinen Aufzugskabine befanden, die uns zur Aussichtsplattform hinauftrug. Unglaublich schnell und fast lautlos glitten wir nach oben. Ich stellte mich direkt ans Fenster der Kabine, um nur ja nichts von der herrlichen Aussicht, welche sich uns schon im Lift bot, zu verpassen. Oben angekommen liessen wir uns vom angenehm warmen Wind umwehen und genossen den faszinierenden Blick auf diese weitläufige und vielseitige Stadt.
Sogar der Mt. Rainier war ausnahmsweise nicht mit Wolken verhangen und strahlte stolz und erhaben auf Seattle hinab. Wir spazierten rundherum und bestaunten die Stadt, die sich unter uns ausbreitete. Seattle ist riesig. Das wurde mir erst hier oben so richtig bewusst.
Hinter dem Puget Sound war auch die Olympic Range zu erkennen.
Dort sollte uns diese Reise in ein paar Tagen hinführen. Sehnsüchtig liess ich meinen Blick immer wieder zu den schneebedeckten Berggipfeln gleiten. Dort drüben lag die Zauberwelt von Stephenie Meyer, Autorin der Twilight-Saga…
Nun waren wir aber erst mal in Seattle und was ich hier sah, gefiel mir immer besser. Wieder sicher unten auf festem Boden angekommen, sind wir noch schnell rüber in die Chihuly Garden and Glass Ausstellung, da unser Kombi-Ticket für die Space Needle den Eintritt für dieses magische Licht- bzw. Farbenspiel beinhaltete. Dale Chihuly, ein grandioser Glaskünstler, sagt: I want people to be overwhelmed with light and color in a way they have never experienced! Und das kriegt er locker hin. Wir haben uns in einer licht- und farbendurchfluteten Zauberwelt wiedergefunden, in deren fröhlicher Atmosphäre wir eintauchten und uns für mehrere Stunden davontragen liessen. Kommt mit und schaut Euch dieses Wunder selbst an.
Hier erst mal eine Wand voll der farbenprächtigsten Decken der American Natives:
Wem es hier jetzt allerdings gleich zu bunt wird, soll einfach schnell weiterblättern…
Auf den nachfolgenden drei Bildern ist eine vom Tageslicht beschienene Glasdecke mit darüber drapierten Glasgebilden zu sehen.
Zauberhaft oder? Unglaublich, was alles aus Glas geschaffen werden kann…
Durch einen verglasten Pavillon führte der Weg nach draussen in den Garten, wo sich Chihuly nochmals so richtig hat austoben dürfen.
Ich wollte hier gar nicht mehr weg. Es macht unglaublich glücklich, sich diesem Sinnesrausch hinzugeben. Von Kunst versteh ich bis heute nichts, oder besser gesagt, vieles was als Kunst bezeichnet wird, sagt mir nichts, kommt bei mir nicht an, interessiert mich nicht, berührt mich nicht. Dale Chihuly jedoch durchbricht mühelos alle Schranken und taucht meine Seele in pures Glück.
Wieder in der realen Welt angekommen, begann langsam der Hunger an uns zu nagen, und gleich um die Ecke von der Space Needle entdeckten wir das nächste Highlight dieses Tages. The Mantra Thai Restaurant and Bar…. Authentische Thai-Küche aber mit hiesigen frischen Zutaten… Ich liess mir hier ein Rotes Pumpkin Curry mit Rindfleisch schmecken. Da die Portionen hier wie überall in den USA so riesig waren, dass sie auch mit meinem grossen Appetit nicht zu schaffen waren, liess ich mir den Rest einpacken. Wir hatten ja einen Mikrowellenofen im Zimmer und so wusste ich schon, was es morgen zum Frühstück für mich geben würde…
Am nächsten Morgen liessen wir uns vom gratis Hotel-Shuttle beim Pike Place Market absetzen. Dieser Farmer’s Market ist der am längsten durchgehend betriebene Markt der gesamten USA. Er wurde 1907 eröffnet, um den hiesigen Bauern die Möglichkeit zu geben, ihre Produkte direkt und ohne Zwischenhändler an den Mann zu bringen. Nach und nach sind immer mehr Läden, Gar-Küchen, Kunsthandwerksshops, Fischverkäufer und so einige weitere Kuriositäten hinzugekommen. Für mich ein spannendes Wirrwarr an Bildern, Gerüchen und Gefühlen…
In den meisten Reiseführern wird geraten, schon früh morgens vor Ort zu sein, da später am Tag die Mehrheit der Stände schon wieder zusammengepackt würde. Nun wir waren um 09.00 da, und mehr als die Hälfte der Stände war erst im Aufbau begriffen oder noch komplett verwaist. Auch die meisten „Fress-Shops“ waren noch geschlossen und so waren wir ziemlich schnell durch. Wer sich also durch die vielen angebotenen Leckereien durchprobieren möchte, sollte erst kurz vor Mittag hier auftauchen. Kann sein, dass die Flying Fishes dann bereits ausgeflogen sind, aber alles andere erwacht erst dann zum Leben.
Da wir nun schon mal so früh hier waren, wollte ich mir die berühmten Fischhändler, welche riesige Lachse und andere eigentlich nicht fliegende Fische auf Bestellung und unter Riesengetöse durch die Luft zum Kassierer werfen, nicht entgehen lassen. Derart frischen Fisch kriegt man bei uns ja nicht zu Gesicht. Es stank auch nirgends sondern roch wunderbar nach Meer…
Oh wie gerne hätte ich hier auch eingekauft, aber wo hätte ich all die Leckereien zubereiten sollen? Beim nächsten Seattle-Besuch muss also eine Wohnung mitsamt vollausgestatteter Küche her, damit ich die Vorteile dieses Food-Paradieses auch richtig auskosten kann.
Die Gum-Wall am Ende des Marktes liessen wir aus, wer will schon die an eine Wand gespuckte Hinterlassenschaft tausender Kaugummikauer bestaunen, und suchten uns zwischen all den Baustellen und Absperrungen einen Weg hinunter zur Waterfront. Hier hätte ich liebend gerne an einer Hafenrundfahrt teilgenommen, aber Herr Barua wollte nicht, und so watschelten wir halt den gesamten Hafen rauf und runter bis auch die bisher noch heile Haut an meinen Füssen Blasen warf.
Zu Essen gab’s heute wieder Thai, allerdings diesmal in einem winzigen, ziemlich unansehnlichen Lokal irgendwo auf dem Weg zurück zu unserem Hotel. Hier gönnte ich mir das leckerste Pad Thai, dass ich je irgendwo gegessen habe. Auch hier schaffte ich die Portion bei weitem nicht und liess mir den Rest wieder einpacken. Seattle ist tatsächlich eine Gourmet-Stadt! Egal wo wir bisher gegessen haben, es war ausnahmslos umwerfend gut.
An unserem letzten Tag in Seattle hingen die Wolken dunkel und drohend über der Stadt. Es sah sehr nach Regen aus, und kalt war’s auch geworden. Ich hatte eigentlich überhaupt keine Lust, mich aus dem warmen, gemütlichen Bett zu quälen, aber um 09.10 Uhr startete unsere gestern Nacht noch schnell über Triposo gebuchte Seattle City Tour. Der Bus stand pünktlich vor unserem Hotel bereit, und nachdem noch ein paar weitere Hotels abgeklappert worden waren, konnte es endlich losgehen. Die Tour war sehr unterhaltsam und auch äusserst informativ, dank unseres verrückten Guides, der pausenlos quasselte, Namen und Herkunft von jedem Teilnehmer im Kopf behielt, jeden persönlich ansprach und in seine Anekdoten mit einbaute. Wir sind durch die verschiedenen Neighborhoods gefahren und haben so einen guten Eindruck von der Vielfältigkeit dieser Stadt gewonnen. Mir hat vor allem das Queen Anne Viertel gefallen, wo sich ein schnuckliges historisches Holzhaus an das nächste reiht, jedes umgeben von üppig grünenden und blühenden Pflanzen. Egal wie klein oder gross der Garten, es scheint da immer möglichst viel wuchern zu müssen. Nur zu gerne hätte ich so ein hübsches Häuschen mal von innen gesehen.
Auch die Hausbootgemeinde am Lake Union wäre was für mich. Für den Film Sleepless in Seattle wurde tatsächlich hier gedreht. Es reiht sich hier ein tolles Hausboot an das andere. Viele haben oben auf dem Flachdach eine Holzterrasse, wo man die hier doch ziemlich spärlich scheinende Sonne und einen wunderbaren Blick über den Union Lake bis zur Downtown von Seattle geniessen kann. Unser Guide hat selber 9 Jahre mit seiner Frau auf so einem Hausboot gelebt und warnte jeden davor, der mit einer solchen Unternehmung liebäugelte, da dieses Leben alles andere als romantisch und bequem sei. Er zeigte uns so einige Unannehmlichkeiten auf, konnte mich aber nicht wirklich überzeugen. Zumindest für einen Ferienaufenthalt möchte ich sicher mal so eine schwimmende Villa mein Eigen nennen können. Unter FeWo-direkt hab ich auch schon was passendes gefunden. Meine Urlaubsträume können also weiter ausgebaut werden.
Am Ende der Tour sind wir noch zum Kerry Park, einem Aussichtspunkt mit einem Wahnsinnsblick auf die Seattle Skyline.
Kerry Park war der einzige Stop auf der gesamten Tour, wo wir aus dem Bus rauskonnten, um einige Fotos zu schiessen. Überall sonst war fotografieren nicht möglich. Nun dann muss ich eben nächstes Mal doch ein Auto mieten und selbst überall hinfahren, was sich in Seattle eh sehr empfiehlt, da sich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln der Stadt eine solche Tour nur sehr schwer bewerkstelligen lässt.
5 Minuten später waren wir schon wieder bei der Needle und die Tour zu Ende. Wir beschlossen diese witzige Sightseeing Tour mit einem erneuten Besuch im Mantra, wo wir uns für den bevorstehenden Shopping-Nachmittag stärkten.
Den Rest unseres Seattle-Aufenthaltes verbrachten wir also mit Einkaufen, allerdings waren die Auslagen nicht gerade berauschend, sodass wir uns auf Mitbringsel für Zuhause beschränkten. Ach und ich erstand noch eine Regenjacke von Michael Kors, um für die kommenden wahrscheinlich regenreichen Tage in der Twilight Zone gerüstet zu sein. Morgen würde es endlich rausgehen aus der Stadt und rein in die Natur….