Warum in die Ferne schweifen – Wildlife vor der Haustüre

Eigentlich müsste ich ja von Entdeckerdrang getrieben jeden Tag in meinen Mietwagen steigen und in die herrliche mich umgebende Natur hinausfahren. Aber ich muss mein traumhaftes Ferienzuhause tatsächlich  nicht mal verlassen, um  wilde Tiere zu sehen. Hier gibt’s ausser Bären und Büffel alles. Ich müsste noch nicht mal raus aus der Box, denn gleich vor dem Fenster auf dem Deck spielt sich der muntere Tieralltag der Prärie ab.

Ich wollte eben nach draussen, noch einen kleinen Abendspaziergang geniessen, da sah ich diese Mountain Bluebird Familie fleissig ihrer Lebensaufgabe nachgehen. Mama und Papa flogen eifrig in der Gegend umher, um allerlei Insekten einzufangen, während die fetten Kinderchen es sich auf einem meiner Deckstühle bequem gemacht hatten und mehr oder weniger geduldig darauf warteten, dass die Leckereien in ihre Schnäbel flogen. Was für ein Schlaraffenland für diese Piepmätze.

Jedesmal wenn wieder eine neue Insektenladung angeflogen kam, begannen sie ganz aufgeregt herumzuflattern und mit weit aufgerissenen Schnäbeln nach mehr zu schreien.

Der Hunger musste riesig sein, obwohl das keinem von beiden anzusehen war. Die fetten kleinen Kugeln mussten aber wahrscheinlich noch einiges an Nahrung in das Wachstum ihrer Flügelchen investieren, da diese winzigen Flatterhilfen sie im Moment noch nicht sehr weit zu tragen vermochten. Sie hopsten mehr als dass sie flogen.

Und so warteten sie weiter voller Begeisterung auf jede weitere der zahlreichen Futtergaben, welche die Eltern abwechselnd und unermüdlich heranschleppten.

Aber auch in der weiteren Umgebung meiner Prärie-Box brummte mittlerweile das Leben. Viele Zugvögel waren wieder zurückgekehrt und hatten sich hier an ihrem angestammten Sommerquartier niedergelassen.

Die Kanada-Gänse hatte ich ja schon entdeckt, auch ihren Schwarm. Noch nicht aber ihre kleinen Gänschen. Sieben süsse Gänsekinder schwammen brav in Reih und Glied zwischen Mama und Papa über den Teich. Irgendwie erinnerte mich diese Szene an ein Buch, dass ich in meiner Kindheit mehrfach verschlungen hatte, denn ich wollte schon Ausschau halten nach Nils Holgerson…. Der hatte sich ja mit seiner Hausgans Martin einer Wildgänse-Schar angeschlossen und ist so ziemlich weit rumgekommen. Ob er hier wohl auch Rast gemacht hat?

Dann entdeckte ich doch wahrhaftig einen Pelikan! Ist das möglich? Pelikane in Montana? Ich hab das natürlich sofort nachgegoogelt und tatsächlich verbringen viele Pelikane jedes Jahr den Sommer hier in Montana. Es sollte schon ein Gewässer in der Nähe sein, aber das Meer braucht es also nicht. Bloss was macht der arme Kerl hier so ganz alleine?

Ich habe ihn auch in den kommenden Tagen mehrfach seine Runden ziehen sehen, aber immer war er alleine unterwegs, weit und breit kein Frauchen zu sehen… wie wollte er so hier seine Art erhalten?

Was werde ich hier wohl noch so alles entdecken?

Ein Paar Trompeterschwäne!!! Wow die hübschen anmutigen Tiere waren in den 1930er Jahren vom Aussterben bedroht. Aber mittlerweile haben die Bestände sich wieder erholt, und so durfte ich hier mitten im Nirgendwo an einem kleinen Weiher zwei wunderschöne Exemplare bestaunen.

Schwalben flogen umher auf Mückenjagd, im Hintergrund grasten die Kühe und ihre Kälbchen hüpften vergnügt im hohen Gras umher.

Ein pechschwarzer Vogel mit einem knallroten Fleck auf beiden Flügeln vergnügte sich in den grünen Büschen am Teichrand.

Und dann entdeckte ich doch tatsächlich auch noch einen Biber. Oder ich denke mal, es war einer, denn der Schwanz und somit sein sicheres Erkennungsmerkmal war unter Wasser  nicht zu sehen.

Ach und in der Ferne sprangen noch ein paar Antilopen herum.

Und ich mittendrin in dieser Idylle. Warum kann das Leben nicht immer und überall so sein. Ich geniesse es hier so sehr, einfach ein winzig kleiner Teil dieser immensen und kraftvollen Natur zu sein. Hier ist die Welt noch wild und ungezähmt. Hier hat sich der Mensch anpassen und einfügen müssen. Vollends dominieren kann er hier nicht. Ich wünschte, ich könnte ein Stück davon mit nach Hause nehmen. Vielleicht lasse ich einfach meinen Garten verwildern. Mal schauen, wer dann alles bei mir einzieht und mir ein Stück Natur zurückgibt? Ein paar Igel finden’s ja schon ziemlich cool bei mir…

Auf einem meiner Spaziergänge durch die zauberhafte Prärie, kommt mir Blue, der Hund meines Gastgebers entgegen. Zielstrebig lief er auf mich zu, sein Herrchen war aber nirgends auszumachen. Ich durfte Blue knuddeln und drücken, was er begeistert entgegennahm. Dann trabte er wieder los in Richtung Zuhause.

Auf Ty, Blues Herrchen, traf ich dann erst eine halbe Stunde später. Ich nutzte die Gelegenheit gleich und fragte ihn nach Klapperschlangen, wollte ich doch endlich wieder etwas entspannter durch die wilde Prärie streifen können. Ja, es gäbe da schon welche, aber nur wenige und zu dieser Jahreszeit seien sie immer noch in ihren Überwinterungshöhlen. Ich bräuchte mir also keine Sorgen zu machen. Ausserdem würden die laut rasseln, sodass ich früh genug gewarnt wäre. Tja na also, dann konnte ich dieses gruselige Thema vorerst ad acta legen und mich weiterhin bedenkenlos im immer dichter und höher werdenden Präriegras tummeln.

Ja, denkste!!! Nur ein paar Stunden später, ich scheuchte eben unabsichtlich ein paar Enten auf, die aufgeregt schnatternd davonflogen, sah ich eine fette Schlange vor mir im saftig grünen Gras liegen. Sofort standen mir wieder alle Haare zu Berge, ja ok, nur die kurzen, und ich begann zu Zittern. Das war hundertprozentig eine Klapperschlange. Ich war todsicher!!! Ich machte schnell ein Foto, mehr ging nicht, sonst hätte ich mir vor lauter Angst bestimmt in die Hosen gemacht, und schlich dann davon und auf schnellstem Weg nach Hause. Das Viech hatte mich nicht gewarnt. Keinen Laut hatte es von sich gegeben. Und es hat sich nicht bewegt, keine Anstalten gemacht, vor mir zu flüchten oder so… Ich hatte weder den Kopf noch den mit der Rassel besetzten Schwanz gesehen, trotzdem war ich sicher, dass das ein Klapperschlangenbiest war. Schon allein die Art wie ausgeprägt die einzelnen Schuppen auszumachen waren, auch die Färbung und Zeichnung waren doch eindeutig. Zuhause habe ich mir schnell das Foto vergrössert und enttäuscht festgestellt, dass ich wieder zu sehr gezittert haben musste, denn die Schlange war nicht klar zu erkennen. Trotzdem befand ich, definitiv einer Prärie-Klapperschlange begegnet zu sein. Ich wollte sogar die Rassel auf dem Bild erkennen können, sehr unscharf, aber da war sie doch, oder?

Als ich Ty das Bild zeigte, bestätigte er meinen Verdacht und wunderte sich, dass die schon so früh im Jahr hier ihr Unwesen trieb… da er aber weiter unbekümmert mit Blue seine weiten Runden durch diese ansonsten so wunderbare Landschaft zog, beschloss ich, es ihm gleich zu tun, und mich nicht von diesen in mir Panik auslösenden Biestern abschrecken zu lassen. Immerhin sollen die Prärie-Klapperschlangen  ja nicht tödlich giftig sein. Und ein Gegengift musste doch hier im Falle eines Falle auch schnell zu bekommen sein…

Trotzdem blieb ich vermehrt auf den Wegen und an nicht so dicht bewachsenen Stellen der Prärie. Und Tage später viel mir auf, dass auch mein Gastgeber nicht mehr ganz so unbekümmert durch die Gegend streifte und ebenfalls auf seine Schritte achtete. Es muss eben in jedem Paradies eine Schlange als Spielverderber geben.

Aber vermiesen liess ich mir meinen Traum deshalb noch lange nicht. Ich zog weiter meine Bahnen durch dieses fantastische Stück Erde.

 

Hier geht’s weiter…

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